Willisauer Bote 14.6.2019

REIDERMOOS Matthias Keist sucht die Freiheit abseits der Strassen. Kaum ein Hügel ist ihm zu steil, kaum ein Graben zu schlammig. Um seine Ziele zu erreichen, braucht er neben einem leistungsfähigen Motor vor allem starke Nerven.

 von Irene Zemp-Bisang

Sein Auto ist sein Stolz. Matthias Keist hat einen Jeep Wrangler TJ Rubicon 2004. Ein vierplätziger Geländewagen, 4 Liter, 177 PS, 6 Zylinder. «Fast ein Traktor », sagt der 36-Jährige. «Du hörst den Motor, riechst das Benzin, spürst jede Bodenwelle.» Sein Wrangler hat wenig Komfort. Weder Sitzheizung noch Navigationssystem oder Parksensoren. Dennoch vergleicht ihn Matthias Keist mit einem Rollce-Royce. «Es ist ein erstklassiges Offroad-Auto.» Genauso eins habe er sich schon als kleiner Bub gewünscht. Während Klassenkameraden für Ferraris oder Lamborghinis schwärmten, freute er sich, wenn er auf der Strasse einen Jeep entdeckte. Technisch sei ein solches Auto für alle Eventualitäten gerüstet. «Im Gelände machts erst richtig Spass.» Matthias Keist liebt steile Hänge, Gräben und vor allem Dreck. In der Schweiz sei es leider so gut wie nirgends erlaubt, abseits der Strassen zu fahren. Auf praktisch jedem Waldweg steht ein Fahrverbot. «Diese Regel respektieren wir. Auch uns liegt die Natur am Herzen. » Darum weiche er auf die Strassen aus. «Wir cruisen gemütlich.» In diesem Frühling sei er schon auf dem Ächerlipass oder in Giswil gewesen. Autobahnen und hohe Geschwindigkeiten seien nicht sein Ding. «Dafür ist dieses Auto nicht gemacht.» Mehr Freiheit bietet das Ausland. Regelmässig fährt der Reidermooser übers Wochenende mit seinem Wrangler nach Frankreich oder Deutschland. Hier gibt es Offroad-Parks. Parcours fordern Fahrer und Fahrzeug. Hier kann Matthias Keist üben für seine grossen Touren. Er wählt seine Ferienziele jeweils nach der Topografie. Die Westalpen oder die Pyrenäen bieten viel Abwechslung, in diesem Sommer fährt er während zwei Wochen durch die Balkanregion. Matthias Keist ist entsprechend ausgerüstet. Zelt, Schlafsack und Bergungsmaterial sind immer im Kofferraum, die Kühlbox ist fix montiert. Er hat ein CB- und PMR-Funkgerät installiert sowie ein Navigationsgerät. Viel Platz für Gepäck bleibt nicht. Das sei auch nicht nötig. Er brauche weder fünf paar Schuhe noch gebügelte Hemden zum Wechseln. «Ich mache am liebsten Abenteuerferien in der Natur.» Dazu gehöre das Lagerfeuer am Abend. «Das ist fast so wichtig wie die Autofahrten. » Er liebe es, mit Kollegen zu fachsimpeln und ein paar gemütliche Stunden zu verbringen. «Jeder sitzt alleine am Steuer und doch sind wir ein Team.» Auf seinem Beifahrersitz fährt oft Freundin Priscilla mit. Auch sie liebt Offroad-Fahrten und hat einen Jeep, einen Wrangler JK Rubicon.

Die Szene trifft

sich Matthias Keist suchte Gleichgesinnte. Vor zwei Jahren organisierte er ein erstes Offroad-Treffen. 28 Fahrer nahmen an der Ausfahrt auf die Älgialp teil. «Ich kannte nur ein paar wenige persönlich.» Die andern seien durch seine Facebookseite auf den Anlass aufmerksam geworden. Inzwischen folgen gegen 2000 Personen aus dem In- und Ausland seinen Meldungen auf der Facebookseite «Offroad Schweiz.» Auf seiner Internetseite www.offroadschweiz.com zählt er über 19 000 Klicks in einem Jahr. Damit es nicht nur ein Austausch am Computer bleibt, organisiert Matthias Keist regelmässig Anlässe. Vom Outdoor-Fondue über einen Grillabend bis hin zum Offroad-Meet. «Die Zahl der Teilnehmer wächst stetig. » Am Offroad-Meet im vergangenen Jahr waren über 200 Personen vor Ort. Am Wochenende führt Matthias Keist dieses Treffen im Langnauer Heubeeriberg zum zweiten Mal durch (siehe Kasten). Am Freitagabend ist eine Whisky-Degustation geplant, am Samstag gibts auf Vorbestellung bis 550 Gramm schwere Hohrückensteak vom Grill. «Gutes Essen und Trinken gehört für mich dazu.» Er lege Wert auf hochwertige Produkte. Das Fleisch kommt aus der Region, das Salatbuffet machen seine Mutter und ihre Schwester. Es soll ein perfektes Wochenende werden. «Wir wollen den Gästen einen speziellen Anlass bieten.» Dafür brauche es weder laute Musik noch halbnackte Frauen an der Bar. «Wir geniessen es, am Lagerfeuer gemütlich zusammenzusitzen.» Wer Lust hat, übernachtet vor Ort im Zelt.

Der Macher im Hintergrund

Seine Kollegen nennen Matthias Keist «Mätthu». In der Offroad-Szene ist er als TJ Wrangler bekannt. «Ich wollte nicht mit meinem vollen Namen im Netz auftreten.» Dieser sei nicht wichtig. «Es geht nicht um meine Person, im Zentrum steht mein Hobby.» Er versuche, die Offroad-Szene schweizweit zu vereinen und ihr einen Namen zu geben. Dafür investiert der gelernte Schreiner mehrere Stunden pro Woche. Bei Anlässen unterstützen ihn seine Freundin, seine Freunde und Bekannte. Matthias Keist lebt in Reidermoos, in jener Wohnung, in der er aufgewachsen ist. Auf dem Parkplatz davor steht sein Jeep. An den Radkästen kleben Erdklumpen, die Rückspiegel sind verschmutzt. Im Gegensatz zu andern Autoliebhabern poliert er weder den Lack, noch reibt er die Sitze mit Lederpolitur ein. «Mein Auto muss nicht piekfein und perfekt sein.» Der Dreck erinnert an unvergessliche Abenteuer abseits der Strasse.